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Über die Messung der geographischen Länge


einerzeit gab es viele 'wissenschaftliche Preise', unter denen im 17. Jahrhundert auch einige für ein Verfahren zur Messung der geographischen Länge.

Den höchsten Preis (neben anderen von Spanien, den Niederlanden und einigen italienischen Stadtstaaten), ein wahrhaft fürstliches Entgelt, schrieb das britische Parlament in seinem berühmten Longitude Act von 1714 ,,für eine praktische und nützliche Methode zur Bestimmung der geographischen Länge'' aus - nach heutigen Begriffen (so Ms. Dava Sobel, 1995) mehrere Millionen Dollar.

Der schottische Uhrmacher John Harrison (1693 - 1776), geboren nördlich des Humber, bekam 1773 den ihm zustehenden Preis für den Bau einer Serie (ab 1730) nahezu reibungsfreier Uhren, die weder geschmiert noch gereinigt werden mußten, und trotz der Bewegungen und Erschütterungen auf See außerordentlich genau gingen. Er bekam den Preis aber erst nach 4 Jahrzehnten politischer Intrigen, Fehden, akademischer Verleumdungen, wissenschaftlicher Revolutionen und ökonomischer Umwälzungen; er war genialer Mechaniker, Autodidakt und sogar ohne eine Uhrmacher-Lehre. Nach Harrison's Tod war der Bau von Schiffs-Chronometern in England ein blühender Geschäftszweig, und es gibt wohl Historiker mit der Meinung, Harrison's Erfindung sei letztlich nötig gewesen zur Schaffung des Britischen Empire, denn nur dank des Chronometers habe England die Wellen beherrscht.

1731, ein Jahr später als Harrison seine Uhr vorgeführt hatte, haben unabhängig voneinander zwei Erfinder, der amerikanische Glaser Thomas Godfrey aus Philadelphia und der britische Edelmann John Hadley, ein astronomisches Verfahren zur Bestimmung der geographischen Länge vorgeschlagen. Deren Gerät, der Quadrant, Spiegelquadrant, später Sextant, erlaubt es, die ständig wechselnden Entfernungen zwischen Mond und Sonne bei Tag, und zwischen Mond und Sternen bei Nacht, zur Bestimmung der geographischen Länge zu benützen, wenn man ein Tafelwerk mit sich hat, das die entsprechenden gerechneten Zahlen für London oder Paris enthält. (Diese Idee findet man auch in nachgelassenen Schriften Newtons.)

Der Mond bewegt sich auf einer elliptischen Bahn um die Erde, so daß sich seine Entfernung zur Erde und seine Relation zu den Sternen im Hintergrund ständig ändert. Und weil sich die Mondbewegung mit einer Periode von ca. 18 Jahren fast genau wiederholt, braucht man für die Modell-Rechnung von Greenwich viele Daten, die von E. Halley in Greenwich zwischen 1720 und 1742 zusammengetragen wurden.

Das Problem dabei ist das, daß der Mond nicht eine reine Kepler-Ellipse um die Erde beschreibt, sondern diese Mondbahn, also auch deren Normale, unter dem Einfluß der Sonne einen Kreisel mit einer Periode von 18,6 Jahren beschreibt. Mit deren Bahn-Konstanten kann man rechnen, und alles andere wurde zunächst als vernachlässigbar eingestuft.

Daß der scheinbare Winkel zwischen Sonne und Mond von den Ortskoordinaten des Beobachtungsstandpunktes abhängen muß, ist völlig klar. Eine Sonnenfinsternis z.B. sieht man immer nur auf einem schmalen Streifen auf dem Erdglobus. Weil die Mondbahn und die Sonnenbahn so ungefähr (bis auf $5^{\circ}$ etwa) in der selben Ebene liegen, sind diese ,,Finsternisstreifen'' etwa parallel zum Äquator, und auch der Sextant rechnete die geographische Länge des Ortes mit einer solchen Näherung, mit einem ,,künstlichen Horizont''.

Mit einem guten Sextanten und einer detaillierten Sternenkarte konnte dann einer auf dem Deck des Schiffes stehen und die Mond-Distanzen zum Hintergrund messen. Wenn der Mond zu einem Stern unter $30^{\circ}$ steht, verglich der Navigator seine Ortszeit mit der für Greenwich dafür 'vorgesehenen' Zeit. Wenn etwa diese Beobachtung um 1h nachts stattfand, und diese für London um 4h früh vorgesehen war, war man der Londoner Zeit um 3 Stunden hinterher, also auf $45^{\circ}$ Greenwich W.

Für dieses Verfahren sind aber 3 Dinge notwendig.

Erstens: gute Sterntafeln, solche wie die, die T. Brahe auf der Insel Hven in Dänemark und E. Halley in London für die Nordhalbkugel, danach dann Halley und der Franzose N.L. de Lacaille von der Südhalbkugel des Himmels gemacht haben.

Zweitens: einen guten Quadranten/Sextanten nach Godfrey und Hadley.

Drittens: brauchbare Tafeln für den Mond, und diese sogenannten ,,Mond-Ephemeriden'' waren schwierig zu erstellen.

Die Tabellen, welche der Astronom und  Geograph Tobias Mayer (1723 - 1762) im Jahre 1757 gemacht hatte - für die Mondposition gegen den Hintergrund im 12-Stunden-Abstand, nicht zuletzt nach einer Korrespondenz mit L. Euler, waren ausreichend für die Landvermessung auf der festen Erde mit einem Fehler von ein oder zwei Bogenminuten.

Die Witwe Mayers hat posthum £3.000 erhalten, ebenso L. Euler in Petersburg die Summe von £300 für seine Theorie dazu. Die Schwierigkeiten der Methode aber waren immer noch erheblich.

Die Lichtbrechung in der Nähe vom Horizont ist größer und daher zu groß, es gibt eine Mondparallaxe, gerechnet ist in den Tafeln natürlich vom Erdmittelpunkt (Himmelsmechanik) und nicht von der Erdoberfläche aus (das sind 7 km gegen die 300.000 km des Mondes), der Seemann steht 7 m über dem Horizont und sein Meßgerät hat dort den künstlichen Horizont usw. Deshalb hat die Uhr des Autodidakten Harrison gegen die Schüler und Verbreiter der Euler'schen Theorie schließlich £8.750 bekommen, aber eigentlich nicht den begehrten Preis: Der Preis wurde nie verliehen.

Gebaut hat diese Uhren John Harrison. Die Idee, die geographische Länge durch einen Vergleich der Ortszeiten in A und B aus deren Sonnenuhren in A und B mit einer mechanischen Uhr zu finden, stammt von dem niederländischen Mathematiker und Arzt Rogier van Sten, genannt Gemma Frisius (1508 - 1555). Der war Geograph und der Lehrer von G. Mercator aus Rupelmonde bei Antwerpen (welcher politisch/religiös verfolgt wurde und zuletzt in Duisburg lebte). Frisius schrieb ein Buch über Geodäsie und war Berater von Kaiser Karl V. auch im Krieg gegen Frankreich.


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18.1.1999